Tierdarstellungen in der Adolf-Friedrich-Loggia (Teil 3)
Von Dipl.-Biologin Ina Sakowski – Fortsetzung der Teile 1 und 2 in den Newsletter-Ausgaben vom März und April 2023. Ab Teil 2 dieser Folge wird versucht, die Tierabbildungen naturwissenschaftlich ein- bzw. zuzuordnen. Diese Folge thematisiert den dritten Jagdbogen.
Der dritte, sog. „Jagdbogen“, befindet sich in Verlängerung des Treppenaufgangs zum „Theater“ sowie direkt hinter dem Standbild des Herzogs. Im Mittelalter erreichte die höfische Jagdkultur einen Höhepunkt und wurde zum Privileg und Statussymbol des Adels. Die Jagd diente weniger dem ursprünglichen Nahrungserwerb und der Bekleidung, sondern mehr dem Zeitvertreib und Vergnügen sowie der Trophäengewinnung. Neben der Fallen- und Beizjagd (mit Habichten und Falken, auch von Frauen ausgeübt) war an den herzoglichen Höfen v.a. die die Hetz- bzw. Treibjagd (zu Pferd mithilfe einer abgerichteten Hundemeute) weit verbreitet.
Im oberen Bogen werden vier Jagdhunde, ein Hase, ein Fuchs, je ein Schwarz- und Damwild sowie zwei Schlangensymbole dargestellt. Im unteren Bogen finden sich fünf unterschiedliche Vögel, ein (Europäisches) Gleithörnchen sowie vier Blütenpflanzensymbole. Die linke Bogenbasis zeigt drei herpetologische Spezies sowie ein (fossiles) Weichtier, die rechte Bogenbasis eine Fliege sowie drei Blüten-Aufsichten.
In der Mitte des oberen Bogens sind ein – von Hunden gehetzter – Eber und ein Damhirsch herausgearbeitet worden. Schwarzwild kam damals wie heute in großen Mengen in Mecklenburg vor. Die kleine Hirschart war nach der letzten Eiszeit in Europa ausgestorben und wurde erst im 16. Jahrhundert wieder aus dänischen Zuchtbeständen in Europa und auch Deutschland angesiedelt. Auch die Mecklenburger Herzöge werden größere Damwild-Rudel in damals üblichen Gehegen gehalten und gejagt haben.
Die Treibjagd mit Hunden auf Füchse und (Feld)Hasen hat eine lange Tradition und war zu Adolf Friedrichs Zeiten sehr verbreitet. Die jeweils zwei Reliefs ganz links und rechts im oberen Bogen stellen eine solche Szene dar. Aktuell sind die Bestände der Feldhasen deutschlandweit gefährdet.
Unter den vier Jagdhunden lassen sich deutlich zwei schlanke Windhunde sowie zwei etwas robustere Tiere erkennen. Im 17. Jahrhundert gab es noch keine gezielte Hundezucht bzw. -rassen im modernen Sinne. Die Tiere wurden nach Körperbau, Veranlagung (z.B. gutes Gespür, schnelles Laufen, starke Muskeln und große Körpermasse, Apportierfreude) und spezieller Verwendung/ Funktion (Hüten, Hetzen, Aufspüren..) unterschieden und eingesetzt. So gab es z.B. den sog. Leithund (mit guter Spürnase und Folgsamkeit) in einer Hundemeute. Er wurde an langer Leine zum Aufspüren bzw. Anzeigen des Wildes eingesetzt. Die zwei mit Halsband am Bogen dargestellten Hunde könnten solch eine Funktion wiedergeben. Teilweise wurden dafür „Bracken“ genutzt, die als Stammvater aller späteren Jagdhunderassen Eurasiens gelten. Diese Hunde wurden insbesondere zur Jagd auf Federwild, Dachse und Kaninchen verwendet und repräsentieren unsere heutigen „Vorstehhunde“.
Unter den im Mittelalter schriftlich erwähnten Windhunden wurde die schlanke, schnelle Form v.a. für die Hasenhatz eingesetzt und die robustere, stämmigere Form (u.a. die späteren Doggen und Molosser) zur Hetze von Rot- und Schwarzwild verwendet.
Im unteren Bogen ganz links schaut den Betrachter eine Eule direkt an. Aufgrund der Ohren und Gesichtsmerkmale könnte es eine, auch heute in MV noch häufig vorkommende, Waldohreule sein. Im Grabmal symbolisiert sie vermutlich die Trauer, aber auch die Weisheit (des Regenten). An dritter Stelle v.l. ist ein (Höcker-) Schwan in seitlicher Stellung, mit leicht aufgebäumtem Körper als Verteidigungsgeste, zu sehen. Seit dem frühen Mittelalter war die Schwanenjagd in Nord- und Mitteleuropa ein königliches Privileg und durfte nur vom herrschenden Regenten ausgeübt werden. Auch die Schwanenhaltung bzw. -zucht durfte viele Jahrhunderte nur von Adligen ausgeübt werden. Es war schon etwas Besonderes, dass die Stadt Rostock im Jahr 1473 das "Schwanenrecht" im Bereich der Warnowmündung von der Adelsfamilie Wulffen erwarb (KRAUSE, Karl Ernst (1880): Van der Rostocker Veide: Rostocker Chronik von 1487 – 1491).
Ungefähr in der Mitte des unteren Bogens sind zwei sich anschauende Vögel: ein Hahn und ein Pfau mit aufgestellten Federn (Rad) zu finden. Der ursprünglich aus Indien stammende Hühnervogel war im Mittelalter an Fürstenhöfen als Ziervogel weit verbreitet. Sein Fleisch galt als kulinarische Delikatesse und seine langen Federn waren als Schmuck sehr beliebt.
An dritter Stelle von rechts ist ein (Fisch-) Reiher dargestellt; gut erkennbar am leicht gebogenen Hals. Er hält eine Schlange mit geöffnetem Maul im Schnabel (Symbolik: fressen des Bösen, das die Schlange verkörpert). Reiher wurden an den Fürstenhöfen gejagt und verspeist.
Ganz rechts im unteren Bogen ist ein in Deutschland nie heimisch gewesenes (Europäisches) Gleithörnchen dargestellt, das im Mittelalter aufgrund seines wertvollen Felles v.a. in Russland und seinem asiatischen Hauptverbreitungsgebiet stark bejagt wurde. Über hanseatische Pelzhändler und den Deutschritterorden kamen die wertvollen Felle auch nach Deutschland und wurden hier von Adligen als Futter oder Besatz verwendet. Aktuell leben über 90% der europäisch streng geschützten Art in Finnland. Auf dem Relief nicht lebensecht dargestellt ist der auch im Flug deutlich sichtbare 9-14 cm lange buschige Schwanz des nur max. 20 cm langen Hörnchens.
Auf den 4 Feldern der linken Bogenbasis wurden eine züngelnde Schlange, ein Frosch- und ein Schwanzlurch sowie ein Weichtier abgebildet. Alle Tiere weisen einen Bezug zum Element Wasser auf und wurden mit viel künstlerischer Freiheit ausgeführt. Bei der symbolträchtigen Schlange könnte durchaus eine Parallele zur bis heute in MV weit verbreiteten harmlosen Ringelnatter hergestellt werden. Der Schwanzlurch sieht einem rezenten (Kamm- oder Teich-) Molch und der Froschlurch einem Grün- oder Braunfrosch ähnlich. Das Gehäuse des Weichtiers erinnert mit seinen starken Zuwachsstreifen an einen fossilen Ammoniten (bis vor ca. 50 Mill. Jahren in den Weltmeeren lebender Kopffüßer, naher Verwandter der rezenten Tintenfische), weist aber den Körper einer Schnecke auf. Zur damaligen Zeit könnte solch ein Fossil durchaus als Schnecke angesehen worden sein.
Die Felder der rechten Bogenbasis zeigen drei große Fantasie-Blüten in Aufsicht sowie eine taxonomisch zu den Zweiflüglern gehörende (Echte?) Fliege. Das Insekt trägt mit Blattgold ausgeführte Punkte auf den Flügeln sowie einen glänzenden Hinterleib. Auch wenn es real keine derart gemusterten Fliegenflügel gibt, erinnert das Blattgold doch an die allbekannte Schmeißfliege mit ihrem bläulich-grün schimmernden Hinterleib.
Text: Dipl. Biologin Ina Sakowski, Fotos: Ina Sakowski (Satow), Michael Berger (Rostock), Martin Heider.